Hilsbach Kunst Kultur
 

 

Archiv unserer Veranstaltungen

 

Ausstellung

Archiv01 >>

Patrick Alt        Malerei



dazu ein Text von Clemens Krümmel:

Patrick Alt – Der Fries

Das tastende, in all seiner überraschend offen gezeigten Unsicherheit die Blicke verstrickende und bindende Malen hat Patrick Alt immer wieder als temporäre Methode der Selbstbestimmung genutzt. Er weiß um die Ungenauigkeit, die sich immer dann mit Außenstehenden einstellt, wenn im Innern der eigenen malerischen Sprache heute nahezu unaussprechliche Dimensionen wie das „Existentielle“ oder das „Authentische“, aber auch das „Als-Ob“ oder der „Fake“ Hauptrollen spielen und experimentell umstellt werden. Ein nach vorn geneigtes Selbst wie das seine flieht offenbar jeden Stabilisierungswunsch und lässt sich aus eigener Perspektive allenfalls situativ skizzieren. Wollte man seine Bilder als stenografische Ausdrucksformen nicht nur einer ästhetischen Welt, sondern einer sich in jedem Moment ändernden Gestimmtheit, einer Verfassung verstehen, dann sollte man Tragweite und Dauer seines eigenen Nachvollzugs einen engen Rahmen geben – wie beim Fiebermessen, dessen punktuelle Ergebnisse erst nach einer Serie von Tests eine aussagekräftige Tendenz vermitteln.
Für seine Ausstellung in der Kunsthalle Hilsbach hat sich Alt mit dem Fries eines altertümlich klingenden malerischen Formats angenommen. Das geschieht nicht nur, um an die moderne europäische Kunstgeschichte des Begriffs – an Gustav Klimts Beethoven-Fries in der Wiener Secession (1901), oder auch an Edvard Munchs ab 1892 entwickelten Lebensfries – oder an die Herkunft aus dem Paragone zu erinnern, dem Renaissance- und Barock-Wettstreit zwischen den flachen und den tiefen, den statischen und den bewegten Künsten. Die von künstlerischen Epochen und historischen Zentrismen unabhängige Chance, für den Anlass einer Ausstellung eine horizontale
Bildreihe zu schaffen, deren Einzelteile (wie in Friesen üblich) nicht auf konzentrierte Nahsicht, sondern eher für einen distanten Höhenblick gestaltet sind, eine Serie, die im Gestenrepertoire einer spontanen Maltechnik in der Fläche entstehen kann – das hat seine Vorarbeit für Hilsbach beherrscht. Den Zusammenhang der neunteiligen Serie kann man sich kaum flüchtig genug vorstellen – weswegen der Maler den Fries an seinen Außenseiten durch drei aus anderen Zusammenhängen stammende Bilder erweitert, die auf ähnliche Weise mit den Gesetzen malerischen Darstellens und Meinens ringen, aber dies unter jeweils ganz anderen motivischen und formalen Einrichtungen („Frühling in Flandern“, „Opium fürs Volk“, „The FFF (Franz Ferdinand Feeling)“), wodurch Alts kreativer Reichweite symbolisch Rechnung getragen werden mag.
Der Fries steht an der Grenzlinie zwischen Bild und Raum und setzt sich aus neun Teilen zusammen, die in einem Raum gezeigt werden sollen – neun Ölmalereien auf ähnlichen Formaten (90 cm x 110 cm), vor allem, aber nicht nur Querformate. Auf den neun Bildtafeln, teils Übermalungen früherer Bilder, hat Patrick Alt sich einem „Lebensfries“, einer Sammlung lebenswichtiger Konfrontationen angenähert, indem er Konstellationen aus seinem eigenen Leben zu Anlässen des jeweiligen malerischen Ereignisses erklärt und ihnen – weder minutiös noch hastig, aber mit großer Konzentration – eine gestische, wie aus flachen Kraftlinien und farbigen Stimmungsflecken geschaffene Umgebung verleiht. Er beginnt mit der Linie, wiederholt diese Linie gestisch, bis sich Formeln oder Klischees bilden, aus denen sich dann die Köpfe und Büsten (keine ganzen Körper) der ins Bild gesetzten Figuren entwickeln. Kein perspektivisches Bezugssystem, kaum eine Tiefe ordnet die Gemälde, die auf andere Räume als den architektonischen oder skulpturalen ausgerichtet sind.
Innerhalb der Serie operiert Alt mit skizzierten, wie „mit langem Arm“, also aus einer gewissen forcierten Distanz heraus gemalten Erscheinungen, die kaum über wiedererkennbare Merkmale verfügen, die ein nur erahnbares Geschlecht oder Alter haben. Anders als bei der heute wegen der Verstocktheit ihrer Familien- und Individualbegriffe umstrittenen psychotherapeutischen Technik der „Familien-Aufstellung“ erfolgt also bei der Begegnung mit ihnen kein auf Gruppenlevel gesteigerter Individuierungsschock (außer vielleicht zeitweise im Künstler selbst). Mögliche Zuschreibungen an bestimmte Personen oder Rollen vermitteln sich vielleicht über die sprechenden Bildtitel („Jugend ohne Gott“, „√2“, „Schwärmer“, „Pubertät in der Leere“, „How Did We Get This Far Apart?“, „You Can’t Put Your Arms Around a Memory“, „Father and Son“, „Young Parents“, „Mutter“). Dies ist eine Ebene, die ein momenthaftes „Anprobieren“ der bildlichen Spannung zwischen den Figuren erlaubt und den Fries zu einem universelleren, probeweise übertragbaren Konstrukt der Orientierung macht. Einer Orientierung, die sich über Begegnungen gestaltet.
Das Gefühl, dass es um bestimmte Menschen oder Gruppierungen in unterschiedlicher Nähe oder Distanz zum Malenden geht, bleibt in jedem Moment beherrschend – vor allem, weil sich die Skizzen immer wieder durch idiosynkratische Weiterbearbeitung, durch brüske Farbanordnungen oder allzu surrealistisch anmutende Bildnislogiken komplizieren. Patrick Alt, dessen wandlungsfähige Figur sich in diesen Bildern in unterschiedlichen Lebensaltern und Funktionen über die Begegnung mit anderen definiert, war und ist der eigentliche räumliche Körper zwischen diesen flachen Bildern, der Körper, der die Farbe bewegt, der Körper, der die allegorisch aussehenden Begegnungen und Trennungen auf den neun Bildern durchlebt hat und noch durchlebt.

 

Patrick Alt studierte Malerei an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg
und an der Städelschule in Frankfurt am Main und erhielt dort 2011 den Meisterschülertitel von Michael Krebber.

Er hat seitdem an diversen nationalen und internationalen Ausstellungen teilgenommen
und lebt und arbeitet in Berlin.


http://www.patrickalt.net

Vernissage am 08.10.2023

  

 


 

Ausstellung von 08. bis 22. Oktober 2023

 am 15.10. von 12:00 bis 16:00 Uhr

 am 22.10. von 14:00 bis 18:00 Uhr

Back